Die Verbundenheit mit der ganzen Welt ist Programm
Quelle: Gabriele Müller in der Leonberger Kreiszeitung am 10.01.2009
Schätze vor der Haustür:
Die Geschichte der Kirche St. Bonifatius Renningen ist nicht lang, aber ihre Wirkung weitreichend
Die katholische Kirche St. Bonifatius verbindet - in vielfacher Hinsicht. Was das Gebäude betrifft, so steht das katholische Gotteshaus in einer Straße, die nach dem Protestanten Martin Luther benannt ist. Sie vereint frühchristliche architektonische Formensprache mit einer modernen Innenausstattung. Vor allem aber engagiert sich die Gemeinde von Pfarrer Franz Pitzal in vielen Ländern und lebt das Gebot der Nächstenliebe.
Der Heilige Bonifatius, der Namenspatron der Kirche, gilt als deutscher Missionar. Der 754 als Märtyrer gestorbene, aus England stammende Heilige war auf Integration bedacht, um den Frieden zu wahren. Die Verbindung zwischen den Renninger Kirche heute und dem Heiligen Bonifatius damals zeigt das Portal aus Aluminiumguss, das Werner Evers aus Leonberg entworfen hat. Zentral, über den Portalgriffen, rufen zwei Textfelder zu Liebe und zum Verkünden des Gotteswortes auf. Oben ist der auferstandene Christus dargestellt, daneben der Kirchenpatron mit seinen Mönchen bei der Überfahrt. Links ist die chaotische Welt zu sehen, rechts der Heilige bei der Verkündigung des Gotteswortes. Das Bild unten links zeigt drei Menschen an einem Brunnen: ein Symbol für das Engagement der Gemeinde in der Dritten Welt. Rechts davon ist der Gottesdienst unter dem Altarbogen dargestellt. Rechts neben dem Portal steht eine Skulptur: ein Rufer. „Hilfe", steht auf der Tafel zu seinen Füßen, „für eine bessere Welt." Enthüllt hat die Plastik 1994 ein Kardinal aus Bangkok. Der Rufer steht auf einem Fundament aus mehr als 50 Steinen, die Ländernamen wie Vietnam, Malaysia, Bolivien, Bosnien oder Ukraine tragen.
Konzept von Anna Hajek
Das solchermaßen eingeführte Programm setzt sich im Inneren der Kirche bis in den Altarraum fort. Gestaltet hat es die Karlsruher Bildhauerin Anna Hajek. Der Kirchenraum mit seinen sechs elliptischen Betonbögen, den die Gottesdienstbesucher anfangs als dunkel und wenig ansprechend empfunden hatten, wurde bei seiner zweiten Renovierung in Blau und Gelb gestaltet: den Farben des Wassers und des Lichts. Dies symbolisiert die Verbindung von Himmel und Erde. Die Altarwand nimmt Bezug auf den offenen Geist der Gemeinde. Kontinente und Ozeane sind hinter den verwischten Farbflächen zu erahnen. Fein geschwungene Metallbögen verweisen auf Längen- und Breitengrade, die Erde, Wasser und Himmel unterteilen. Darin schwebt der Heilige Geist, dessen Taubengestalt mit schlichten Dreiecksformel nur angedeutet ist.
Auch Edelstahl wurde bei der Ausstattung des Altarraums verwandt; formbestimmend ist dabei der Kreis, der als Symbol der Welt zu verstehen ist: Rund ist der Altar, der Ambo (der „Tisch des Wortes") ist als Halbkreis aus Edelstahl mit einem Granitstreifen geformt. Eine ovale Stele ist das Tabernakel (Aufbewahrungsort für Hostien). Das Dreieck aus Blattgold, das es ziert, steht für die Dreieinigkeit. Der blaue Kreis in der Mitte nimmt das Motiv der Verbindung von Himmel, Erde und Wasser auf. Nur aus der Nähe sichtbar ist das kleine Kruzifix, das sich hinter dem Chorgestühl befindet.
Wie eine frühchristliche Basilika
Das Kirchengebäude selbst wurde 1955 geweiht. Die vielen katholischen Heimatvertriebenen, die im protestantischen Renningen lange Jahre mit provisorischen Lösungen für ihre Gottesdienste leben mussten, hatten dafür eigens einen Kirchenbauverein gegründet. 1957 entstand ein Anbau, 1960 das Pfarrhaus und 1964 der Glockenturm, dessen vier Glocken auf das Geläut der evangelischen Kirche abgestimmt war. Die Bauleitung lag in den Händen des Renningers Longin Heinkele, der sich als Architekt schon beim Pfarrhaus verdient gemacht hatte.
Die Silhouette der Hallenkirche mit getrennt stehendem Glockenturm erinnert an ein schlichtes Haus: an frühchristliche Formen der Basilika. Lichtgaden im oberen Drittel des hohen Kirchenraums sind durch kleinteilige, geometrische Formen gegliedert und verschieden gefärbt. Warm fällt durch sie Tageslicht ins Kircheninnere. Der Taufstein befindet sich in einer eigenen Apside auf der Westseite der Kirche und erinnert an frühchristliche Baptisterien. Auch hier gelangt das Sonnenlicht durch bunt verglaste Steingitter in den Raum. Der Taufstein selbst besitzt eine Oberfläche aus sanft glitzerndem Stein. Der bronzene Deckel zeigt Jona, der dem Maul des Walfisches entsteigt.
Rechts ist in die Wand das Relief eines Heilands mit Fisch und Segnungsgeste eingeritzt, rechts vor der Apside eine Statue des Heiligen Bonifatius aufgestellt, mit Kreuz und Bischofsmütze. Der streng-archaische Faltenwurf seines Gewandes scheint mit dem früh-romanischer Skulpturen verwandt. Jüngstes Prunkstück der Bonifatiuskirche ist freilich die 2008 geweihte Mühleisen-Orgel.