Jans 3. Rundbrief

Rundbrief 3 und 4

 

Hallo liebe Familie, Freunde, Gemeinde und Bekannte,

die Zeit scheint für mich wie im Flug zu vergehen und so befinde ich mich jetzt schon im letzten Viertel meines MaZ-Jahres. Mittlerweile fühle ich mich angekommen und dazugehörig. Der Alltag ist mir vertraut und ich kann mir nicht vorstellen wie es wieder in Deutschland sein wird.

Bei meiner Arbeit kenne ich nun alle 60 psychisch und physisch eingeschränkte Auszubildende und komme gut mit ihnen zurecht. Wir spielen oft zusammen Fußball und Netball.

Endlich sind die langen und schmerzerfüllten Renovierungsarbeiten der Sportgeräte und des Gymnastikraums beendet. Wir haben den Fitnessraum neu eröffnet und die sportlichen unter den Trainees nehmen das Angebot sehr gern an. Die etwas weniger Engagierten versuchen sich ab und zu an den Geräten. Manchmal überreden sie mich meine Power an den Geräten auszulassen, am nächsten Tag werde ich dann mit einem furchtbaren Muskelkater bestraft.

Wir haben ein kleines Kino eröffnet in dem immer neue Filme geschaut werden, wenn ich am Wochenende da bin. Da viele kein Englisch verstehen werden hier am liebsten Filme mit Action und Slapstick -Humor angeschaut.

 

In dem Haus der Marianhiller Missionare nimmt alles seinen gewohnten Gang. Viele Brüder verbringen nur eine begrenzte Zeit in unserem Haus. Sie gehen nach ein paar Monaten in andere Einsatzorte und so verändert sich das alltägliche Leben immer ein bisschen, aber nicht zu viel. Mit den Brüdern verbringe ich den größten Teil meiner Freizeit. Oft gehen wir gemeinsam ins Stadion, schauen Fußball, grillen und vieles mehr. Die Brüder haben sich inzwischen in die Arbeit in der Rehabilitations-Station eingebracht, was mir persönlich sehr gut gefällt, da ich auch in meiner Arbeitszeit mit ihnen zusammen sein kann.

 

Über Ostern war meine Schwester zu Besuch. Es hat mich sehr gefreut ein bekanntes Gesicht zu sehen, ich konnte ihr viel von meiner Arbeitswelt zeigen und wir haben gemeinsam einen Teil Südafrikas erkundet und erlebt.

 

Mit der Zeit habe ich immer mehr Einblicke in die politische Lage und die sozialen Probleme dieses Landes bekommen.

Die politische Lage in Südafrika ist sehr prekär. Seit den ersten freien Wahlen 1994 stellt die Partei ANC, African National Congress, (die Partei von Nelson Mandela) die Regierung in Südafrika. Eines ihrer Hauptziele ist die ökonomische Verteilung des Landes und des Geldes, das bis dahin hauptsächlich den Weißen vorbehalten war, wiederherzustellen. Es gibt immer noch riesige Unterschiede der Vermögenswerte zwischen der schwarzen und weißen Bevölkerung. So versucht die Regierung die schwarze Bevölkerung in eine bessere Bevölkerungsschicht zu pushen. Zum Beispiel bekommen Firmen mit rein schwarzen Mitarbeitern Steuervergünstigungen und Firmen, die nicht genügend Schwarze eingestellt haben müssen hohe Steuernachschläge zahlen. Ein Gesetz bestimmt den Anteil der schwarzen Mitarbeiter.

Um in Regierungsämter angenommen zu werden, wird der Notendurchschnitt von Schwarzen und Weißen sehr unterschiedlich bewertet. Das ist der sogenannte affirmative act, positiv an ihm ist, dass er die viel ärmeren Schwarzen unterstützt und die Vetternwirtschaft der Weißen ein bisschen unterbindet. Für die Firmen ist es dagegen nicht immer von Vorteil, wenn sie nicht die freie Wahl haben jemanden nach dem Leistungsprinzip einzustellen.

Ein weiteres sehr großes soziales und politisches Problem ist die große Korruption, die in der Regierung und Bevölkerung in allen möglichen Bereichen auftritt und sich somit in der normalen Bevölkerung etabliert hat. Diese hat sich mittlerweile bis zu den höchsten Ämtern der Regierung ausgebreitet (es gibt wenig Kontrolle von Gesetzen und Bestrafungen). Es ist nichts ungewöhnliches, dass ein Apotheker ausgegangene Medizin schneller besorgen kann, wenn man ein bisschen extra Geld zahlt oder man die Führerscheinprüfung für 100 Euro ohne praktischen Test besteht.

Ein anderes Problem ist die riesige Kluft zwischen Arm und Reich. So ist die Küste mit perfekten Straßen, vielen Villenvierteln, konstantem Strom und Wasser ausgebaut, während manche ländliche Gegenden komplett ohne Infrastruktur auskommen müssen. Dort gibt es keine Wasserversorgung oder Strom, Straßen findet man sehr selten, meist nur irgendwelche Pfade oder Feldwege. Da in diesen armen Gegenden nur die schwarze Bevölkerung lebt, wird der große Unterschied zwischen schwarz und weiß sehr deutlich.

Allgemein wird hier noch ein besonderes Augenmerk auf die Hautfarbe gelegt, so dass diese sehr getrennt voneinander leben oder arbeiten. Wenn man in öffentliche Gebäude geht oder in andere abgesperrte Bereiche, muss man immer seine "Rasse" (race) angeben, welche in schwarz, weiß, colored (Mischling) und Indian aufgeteilt ist. Wobei die Colored sozial am meisten ausgeschlossen und nicht akzeptiert werden. Durch die soziale Ungerechtigkeit und die große Armut gibt es in Südafrika eine hohe Kriminalität. Das betrifft vor allem Frauen und Kinder die sehr in ihrem freien Leben eingeschränkt werden und zu einer gewissen Angst von anderen Bevölkerungsgruppen führt.

Viele dieser Probleme hat das Apartheidsregime mit seinen ideologischen Lehren geschaffen und damit das soziale Umfeld Südafrikas für viele Generationen zerstört. So braucht es bestimmt noch 2-3 Generationen gute, vernünftige Politik und Bildung, bis das Land endlich in einem schönen Gleichgewicht ist.

Da ich kein Soziologe oder Politikwissenschaftler bin, ist das hier meine Meinung die auf Informationen und Erlebten aus meiner Umgebung basiert.

 

Viele Grüße und Gottes Segen

Euer Jan